Sozial gerechter Klimaschutz
Wann startet die Zeitenwende für den Klimaschutz?

Mit dem Jahr 2022 geht auch das erste Regierungsjahr der Ampel-Koalition zu Ende. Was die Bundesregierung im Bereich nationale Klimapolitik bereits bewegt hat – und was noch alles passieren muss, fasst Daniel Eggstein, Referent für Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit der Klima-Allianz Deutschland, zusammen.

Nach einem Jahr Ampel blicken wir mit Ernüchterung auf die Fortschritte beim Klimaschutz. Eine Zeitenwende für den Klimaschutz ist der Ampel noch nicht gelungen. Dabei waren die Vorzeichen vielversprechend: Mit Olaf Scholz zog ein selbsternannter „Klimakanzler” ins Bundeskanzleramt ein, die Grünen führen ein neu geschaffenes Klimaministerium und die FDP versprach für eine Modernisierung des Landes zu sorgen. Doch die anfängliche Aufbruchstimmung beim Klimaschutz, geprägt von wichtigen Fortschritten beim Ausbau der Erneuerbaren Energien (Osterpaket), einer engagierten Klimaaußen­politik und dem 9-Euro-Ticket mündete schnell in klimapolitischen Rückschritten beim CO2-Preis, der langfristigen Erschließung neuer fossiler Energiequellen und einer klimapolitischen Arbeitsverweigerung des Verkehrsministers.

 

Der Ampel-Regierung ist es bisher nicht gelungen, ein Klimaschutz­sofortprogramm vorzulegen, das den Anforderungen des Klimaschutz­gesetzes entspricht und Deutschland zurück auf einen 1,5 Grad-Pfad bringt. Sorgenkind Nummer eins ist dabei weiterhin der Verkehrssektor. Die CO2-Emissionen aus dem Verkehr verbleiben seit Jahrzehnten auf hohem Niveau und Deutschland droht auch deshalb seine Klimaziele für das Jahr 2030 zu verfehlen. Doch der zuständige Verkehrsminister Volker Wissing hat nach wie vor kein Sofortprogramm vorgelegt, mit dem die Klimaziele noch erreicht werden können. Besonders befremdlich ist der Versuch der FDP, Fortschritte beim Klimaschutz im Verkehrssektor gegen eine Aufweichung des Klimaschutzgesetzes zu verhandeln. Wir können nicht dulden, dass Minister Wissing hier bewusst Rechtsbruch begeht und das Gesetz abschwächen möchte, anstatt konsequent Klimaschutz zu betreiben. Wir werden auch im kommenden Jahr mit aller Kraft ein ambitioniertes Sofortprogramm und den Erhalt der Sektorziele im Klimaschutzgesetz einfordern.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Energieimporten offengelegt. Steigende Energiepreise und eine wachsende Inflation haben milliardenschwere Entlastungspakete für die Bürger*innen notwendig gemacht. Bei aller Kritik an der Klimapolitik der Ampel bleibt anzuerkennen, dass die Gestaltung einer klimaneutralen Transformation unter diesen Voraussetzungen kein leichtes Unterfangen ist. Dennoch hat die Regierung bisher die Chance verpasst, die Krise als Startpunkt für eine sozial-ökologische Transformation zu begreifen. Die Entlastungen bedeuteten vielfach Rückschritte für die Klimapolitik (Stichwort: Tankrabatt) oder verschärften die soziale Ungleichheit, indem sie mit der Gießkanne verteilt wurden. Allein das 9-Euro-Ticket bot einen sozial-ökologischen Mehrwert und bildete den Auftakt zur Überwindung des Tarifdschungels im öffentlichen Nahverkehr.

Die Ampel-Regierung muss nun im kommenden Jahr ihre Versprechen beim Klimaschutz einlösen und endlich damit beginnen, nicht nur die Symptome der aktuellen Krise zu bekämpfen, sondern die Probleme an ihren fossilen Wurzeln zu packen. Dafür ist ein zielgenaues und vorausschauendes Paket zur langfristigen Bewältigung der Krise notwendig, damit wir im nächsten Winter nicht vor der gleichen Situation stehen und erneut mit Milliardensummen Gaspreise subventionieren müssen. Vorschläge dafür, wie dieses aussehen und finanziert werden kann, haben wir in einem gemeinsamen Forderungspapier mit Umwelt- und Sozialverbänden, Kirchen und Gewerkschaften formuliert.

Der Aufbau einer resilienten Wirtschaft und Gesellschaft kann nur gelingen, wenn wir jetzt konsequent die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen reduzieren, Klimaschutz in allen Sektoren vorantreiben und unsere sozialen Sicherungssysteme krisenfest machen. Dafür werden wir uns auch im kommenden Jahr mit unseren Mitgliedsorganisationen und Partnern einsetzen.